Eigentlich wollte ich mein Klagelied an dieser Stelle um eine weitere Strophe erweitern. Es sollte um das Ungleichgewicht bei der Vergabe von Literaturpreisen gehen – anknüpfend an den von mir bereits zu Beginn der Artikelserie erwähnten Literaturnobelpreis und seine Männerquote von fast 90 Prozent.
Ich wollte davon erzählen, dass Frauen auch auf nationaler Ebene (gerade bei schon länger etablierten Preisen) oft das Nachsehen haben. Angefangen vom französischen Prix Goncourt (90 Prozent männliche Preisträger) über den wichtigsten deutschen Literaturpreis, dem Georg-Büchner-Preis, der während seines fast 100-jährigen Bestehens nur zehn Mal an Frauen ging (85 Prozent Männerquote) bis hin zum amerikanischen Pulitzer Preis (73 Prozent) und dem britische Booker Prize (63 Prozent). Auch hier, so scheint es, wird also der männliche Blick auf die Welt als herausragender, wertvoller, preiswürdiger erachtet als der weibliche.
Doch dann besann ich mich auf den Grundgedanken zurück, der den Rahmen meiner Artikel bildet: MEHR FRAUEN LESEN! Warum also nicht einfach mal stattdessen ein paar Namen preisgekrönter Autorinnen nennen und ihren Büchern, die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die sie verdienen?
Zum Beispiel Jesmyn Ward – die einzige Frau, die gleich zweimal mit dem renommierten National Book Award ausgezeichnet wurde, sowohl für ihren Südstaatenroman „Vor dem Sturm“, der in den Tagen vor Hurrikan Katrina angesiedelt ist, als auch für ihren Roadtrip in die Vergangenheit „Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt“.
Lest Jesmyn Ward!
Oder Hilary Mantel – eine von gerade mal drei Schriftstellern, die den Booker Prize zweimal erhielten (immerhin der wichtigste britische Literaturpreis) und die einzige Frau, der diese Ehre zuteilwurde. Ihre Erfolgsserie, die mit der Auszeichnung für den ersten Teil ihrer Chromwell-Trilogie „Wölfe“ begann und mit dem Preis für den zweiten Teil „Falken“ fortgesetzt wurde, findet in diesem Jahr mit „The Mirror and the Light“ ihren von Publikum und Kritikern gleichermaßen sehnsüchtig erwarteten Abschluss.
Lest Hilary Mantel!
Oder N. K. Jemisin – die mit ihrer Sci-Fi-Trilogie „Broken Earth“ Geschichte schrieb, weil sie nicht nur die erste Afroamerikanerin ist, die den Hugo Award gewann, sondern auch die Erste überhaupt, der dies ganze drei Jahre in Folge gelang.
Lest N. K. Jemisin!
Lest Angelika Klüssendorf, die bisher vier Romane veröffentlicht hat, von denen drei (!) für den Deutschen Buchpreis nominiert wurden. Lest ihren hochgelobten Romanzyklus über ein „Mädchen“, namens „April“ und erfahrt, wie sie „Jahre später“ noch gegen die Dämonen der Vergangenheit ankämpft.
Lest Bücher, die für den Women’s Prize for Fiction nominiert oder mit diesem Preis ausgezeichnet wurden. Einem Preis, der von der britischen Schriftstellerin Kate Mosse und befreundeten AutorInnen, JournalistInnen und VerlegerInnen vor über 20 Jahren ins Leben gerufen wurde, um ein Gegengewicht zu den männlich dominierten Literaturpreisen zu schaffen. Lest die preisgekrönte Geschichte einer Gruppe von Frauen, die aufgrund einer ungewöhnlichen „Gabe“ an die Macht kommen (Lest Naomi Alderman!), lest von den „guten und den schlechten Tagen“ eines jungen Pärchens, das von der Justiz getrennt wird (Lest Tayari Jones!) oder vom Schatten des IS, der in einer muslimischen Familie wie ein „Hausbrand“ lodert (Lest Kamila Shamsie!).
Lest Olga Tokarczuk, deren Nobelpreis-Triumph in der Diskussion um den aktuellen männlichen Preisträger, Genozid-Relativierer und Kriegsverbrecher-Versteher leider etwas unterging. Oder Toni Morrison, die als erste Afroamerikanerin den Nobelpreis verliehen bekam und leider im letzten Jahr verstarb.
Lest Toni Morrison und Olga Tokarczuk!
Natürlich müssen Literaturpreise nicht das ausschlaggebende Kriterium für den Kauf eines Buches sein, aber sie können einen guten Anhaltspunkt liefern. Natürlich steht es euch frei, letztendlich selbst zu entscheiden, wonach ihr eure Bücher auswählt. Ich persönlich werde vielleicht auch vermehrt bei Verlagen wie Hanser Berlin, Kein & Aber, Insel, Kampa, Penguin, Luchterhand und Piper stöbern, die in ihren Verlagsvorschauen für den Frühling 2020 einen Frauenanteil von 50 Prozent oder mehr haben. Vermutlich werde ich auch dem englischen Verlag And Other Stories, der 2018 ausschließlich Bücher von Frauen veröffentlicht hat, mehr Aufmerksamkeit schenken.
Im Zuge meiner Recherchen bin ich auf so viele spannende Geschichten von Autorinnen gestoßen, dass ich die nächsten zwanzig Jahre lesetechnisch ausgesorgt hätte, ohne auch nur ein Buch von einem Mann in die Hand genommen zu haben. Aus dieser Vielzahl an Lektüre-Ideen gilt es nun aber erstmal, zumindest meine #20für2020 auszuwählen.
Keine leichte Aufgabe.
Mehr dazu im letzten Beitrag meiner Serie.