Houston, wir haben ein Problem
Ich bin eigentlich ziemlich stolz auf meine eigene kleine Wohnzimmerbibliothek. Zahlreiche Klassiker der Weltliteratur und vom Feuilleton gefeierte Leseperlen stehen griffbereit in deckenhohen Regalen. Sprachgewaltigen Meisterwerke, vollgepackt mit dem Wissen der letzten Jahrhunderte. Ich schaue sie gerne an, erinnere mich an die Momente, in denen sie mich ins Grübeln gebracht und mich vieles in meinem eigenen Leben hinterfragen haben lassen. Ich sehe sie an und freue mich auf all die Geschichten, die noch vor mir liegen. Auf die Russen, die mich bisher aufgrund ihrer vermeintlichen Schwere abgeschreckt haben, die ich aber unbedingt noch kennenlernen möchte. Auf die vielen Folgewerke meiner Lieblingsautoren, die ich neben meine bisherigen Favoriten gestellt hab, wo sie geduldig auf mich warten.
Meine Bibliothek ist meine Schatzkammer.
Doch meine Bibliothek hat ein Problem: Sie ist zu männlich.
Versteht mich nicht falsch. Ohne Shakespeare, Kafka oder Nabokov wäre meine Leben um einiges ärmer. Vonnegut, Boyle, Marquez, Ishiguro – sie alle haben mich tief beeindruckt. Sie alle möchte ich nicht mehr missen.
Doch nachdem ich mir mal den „Spaß“ gemacht habe und alle Bücher von Autoren im Regal so umgedreht habe, dass nur noch die Buchrücken der Werke von Autorinnen zu sehen waren, ließ mich der Anblick männlicher Dominanz in meiner Sammlung doch etwas erschrocken zurück. Meine Frauenbücherquote ist nicht viel besser als die zu Recht kritisierte Bilanz des Literaturnobelpreises. Von den ersten 120 Büchern (A-D) in meinem Regal waren gerade mal 20 von Autorinnen und das auch nur dank Isabel Allende und Margaret Atwood, die jeweils mit einer Handvoll Büchern vertreten sind.
Da stand ich nun. Völlig konsterniert, ob des eklatanten Missverhältnisses. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Beispiele mein männlich-geprägtes Leseverhalten fielen mir ein: Ich habe das letzte Jahr mit dem Buch eines männlichen Autors begonnen und es mit einem beendet. Auf dem Will-ich-demnächst-lesen-Stapel auf meinem Nachttisch liegen 10 Männer und 3 Frauen. Die Liste meiner Lieblingsautoren ist doppelt so lang, wie die meiner liebsten Autorinnen.
Bisher hielt ich mich für eine geschlechtsneutrale Leserin, wenn man das so seltsam formulieren will. Ich entscheide meistens nach dem Klappentext und den Rezensionen (Manchmal verführt mich auch ein Cover, das kennt ihr sicher). Der Name des Autors oder der Autorin ist – wie das Genre – eigentlich zweitrangig. Wie kommt es dann, dass ich wohl doch deutlich häufiger nach Büchern von Männern greife?
Meine Vermutung: es geht um Repräsentation. Oder vielmehr: fehlende Repräsentation. In den Medien, bei Preisvergaben, im gesellschaftlichen Diskurs.
Mehr dazu im zweiten Teil meines Artikels.