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#Frauenlesen

Leserückblick Juli

Ich hänge ziemlich hinterher in der #Frauenlesen Challenge. Das surreale Zeit-Paradoxon, das sich in der ersten Jahreshälfte durch Corona aufgetan hat und manche Tage schier endlos in die Länge zog, andere wiederum innerhalb eines Wimpernschlags verpuffen ließ, hat meinen Alltag ganz schön durcheinander gewirbelt.

Und das mit der Konzentration ist ja auch so eine Sache in Krisenzeiten. Lesepuste habe ich noch immer äußerst selten und auch nur für kurze Sprints durch die Buchseiten, längere Strecken sind nicht möglich. Also musste ich bezüglich der Challenge umdisponieren. Kurze Romane mussten her. Auch die Rezensionen zu den einzelnen Büchern sind ab jetzt etwas kürzer, um noch irgendeine realistische Chance zu haben, am Ende des Jahres die Challenge-Ziellinie zu überqueren.

Schwere Kost – Meine Juli Bücher

Dass kleinere Häppchen nicht immer leichter verdaulich sind, musste ich im Juli gleich mehrfach feststellen. Dass schwere Kost dennoch auf der Liste meiner literarischen Lieblingsspeisen landen kann, aber auch.

Das Mädchen“ von Angelika Klüssendorf

Bei der Recherche zu meiner Artikelserie #MehrFrauenLesen im Januar bin ich erstmals auf Angelika Klüssendorf aufmerksam geworden. Mir imponierte damals, dass alle drei Bücher ihrer Romanserie für den Deutschen Buchpreis nominiert waren. Nach der Lektüre des ersten Teils kann ich sagen (zumindest was den Auftakt betrifft): völlig zurecht.

Und das obwohl die Autorin nicht gerade zimperlich mit ihren Leser*innen umgeht. Rücksichtslos wird man in eine brutale Welt geschubst, eine Welt, der Verwahrlosung und Verrohung. Keine Vorwarnung, kein Abfedern. Hier wird gleich zu Beginn mit Fäkalien geworfen und versucht, mit Kleiderbügeln abzutreiben. Die Diskrepanz zwischen den schockierenden Dingen, die im Leben des Mädchens passieren und der lakonisch-unterkühlten Sprache, in der das Ganze geschildert wird, schafft eine sonderbar dichte Atmosphäre aus Fassungslosigkeit und Faszination, die einen immer weiter durch die Buchseiten treibt.

„Schon am Anfang scheint hier alles zu Ende zu sein – oder ist das Ende doch ein Anfang?“

Auszug Klappentext „Das Mädchen“

Das namenlose Mädchen als Produkt seiner toxischen Umwelt ist emotional verarmt und doch bis oben hin voll mit Gefühlen. Man will sie rausziehen aus diesem alles-auffressenden Schlund, weg von der tyrannischen Mutter, dem trinkenden Vater und all den anderen, die – anstatt ihr Halt zu geben – den Boden unter ihren Füßen immer wieder ins Wanken bringen. Man will sie in den Arm nehmen und sagen: alles wird gut, obwohl man ahnt, dass dem nicht so ist.
Und dann staunt man – über die trotzige Willensstärke, mit der sie sich immer wieder allein aus diesem Sumpf aus Ablehnung und Gleichgültigkeit heraus kämpft. Man erschrickt, weil sie Dinge tut, die eigentlich undenkbar sind (ganz allgemein, aber besonders für ein Kind) und man fragt sich, wie das alles enden soll.

Genau deshalb liegt der zweite Teil auch schon bereit, denn anstatt das Mädchen herauszuziehen, bin ich längst selbst in den Schlund gezogen worden.