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#Frauenlesen

Rezension „Alte weiße Männer“

Late to the Party, I know. Aber besser spät als nie.

Sophie Passmanns Buch wurde mir im letzten Jahr mehrfach in die Timeline geschwemmt und lag deshalb schon eine ganze Weile auf meinem SUB, aber irgendwie kamen immer die Ian McEwans und  Jonathan Coes dieser Welt dazwischen – alte weiße Männer, könnte man sagen. 

Wobei wir schon mitten im Thema wären, denn natürlich würden sich besagte Autoren vehement dagegen wehren, in diese Schublade gesteckt zu werden. Und das tun natürlich auch die interviewten Männer in Passmanns Buch (Vor allem mit dem ALT haben sie so ihre Probleme.). Einige von ihnen lehnen den Begriff für sich vollkommen zurecht ab. Viel zu reflektiert sind Sascha Lobo oder Robert Habeck, viel zu emphatisch Claus von Wagner oder  Kevin Kühnert, um sich diesen Schuh anziehen zu müssen. Es macht trotzdem (oder gerade deshalb) Spaß, die Interviews mit ihnen zu lesen und zu wissen, dass sie gemeinsam mit uns Frauen für die gleiche Sache kämpfen und dabei ihre eigene Rolle im chronisch kranken System immer wieder neu hinterfragen.

Und dann gibt es da noch die Männer, die schon deutliche Symptome des AWM-Syndroms zeigen. Da wird der „kleinen“ Sophie mal mehr mal weniger subtil die Welt mansplained, Feminismus als Luxusproblem der Postmoderne abgetan und jungen Menschen moralische Autorität abgesprochen. 
Kai Diekmann sieht fehlende Gleichberechtigung als eine Art Kinderkrankheit, aus der wir eigentlich schon so gut wie rausgewachsen sind („Also in sofern wüsste ich jetzt nicht, wo wir noch Nachholbedarf hätten.“). Ulf Poschard bekommt von Frauenquoten körperliche Beklemmungen und möchte gefälligst intellektuell abgeholt werden, sonst sei ihm der Feminismus nicht aufregend genug.  Und Rainer Langhans faselt etwas davon, dass Frauen es sich in ihrer Opfer-Rolle zu bequem gemacht hätten und auf der Frauenquote beharren, weil sie eben ganz grundsätzlich auch einfach keine Leistung bringen wollen.

Erschreckend ist auch, wie viele (eigentlich kluge) Männern, die grundsätzlich Solidarität signalisieren, den Begriff Feminist*in als Schimpfwort ansehen und Frauen in ihrem Umfeld bevorzugen, die mit dieser ganzen „Mann-Frau-Scheiße“ nichts am Hut haben. 

Passmanns Interview-Reise bietet ein buntes Panoptikum männlichen Selbstverständnisses. In der Reibung mit den Kampfbegriffen Feminismus und „Alter weißer Mann“ hinterfragen sich die Interviewpartner ganz unterschiedlich, reagieren mit Verständnis, Ignoranz oder Sarkasmus. Das ist spannend zu lesen. Nicht zuletzt, weil die Autorin in der Auseinandersetzung mit dem Gegenüber ihre eigene Position immer wieder aufs Neue zu verteidigen weiß und das auf eine sehr witzige, kluge und oft selbstironische Art. Nur an manchen Stellen hätte ich mir mehr Nachfragen gewünscht. 
Vielleicht funktionieren die Interviews aber auch gerade deshalb so gut. Sophie Passmann gibt die leere Leinwand, auf die ihr männlicher Gegenpart all die Vorurteile über verbissene Feministinnen und aufmüpfige Millenials projizieren kann. Sie überlässt es dem Gegenüber, sich im Verlaufe des Gesprächs dann einfach selbst zu entlarven.

Dieses Buch ist keine Kampfschrift, sondern ein Entgegenkommen. Ein Schlichtungsversuch eben. Ein Ausloten der Positionen. Am Ende bleibt das ungute Gefühl, dass wir trotz Sufragetten und jahrzehntelanger Bestrebungen hin zu mehr Gleichberechtigung noch ganz am Anfang stehen. „Feministen sehen nicht überall Sexismus, weil sie kein anderes Thema haben, sondern weil es überall Sexismus gibt.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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