
„In dem Augenblick, in dem ich beschloss, ihn zu verlassen, in dem Augenblick, in dem ich dachte: Es reicht, befanden wir uns zehntausend Meter über dem Meer, wir rasten vorwärts und erweckten doch äußerlich den Anschein von Ruhe und Gelassenheit. Genau wie in unserer Ehe, hätte ich sagen können, aber warum, in diesem Moment alles zerstören?“
Mit diesen zwei Sätzen beginnt Meg Wolitzer ihren Abgesang auf die Ehe der Castlemans und mit diesen zwei Sätzen hatte sie mich bereits.
Was war zwischen den beiden Eheleuten vorgefallen und warum beschließt Joan ihren Mann Joe nach 40 Jahren ausgerechnet jetzt zu verlassen – auf dem Weg zum vielleicht wichtigsten Ereignis seiner schriftstellerischen Karriere? Über die nächsten 200 Seiten liefert Joan uns die Antworten. Sie nimmt uns mit zum Anfang ihrer Beziehung, erzählt von der ersten Annäherung zwischen einer talentierten aber naiven Literaturstudentin und ihrem Professor, vom harten Start ins gemeinsame Eheleben, von den Kindern, die fortan mit den schriftstellerischen Ambitionen konkurrieren, von den anderen Frauen und von den Opfern, die Joan im Laufe der Jahre im Schatten ihres Mannes bringt. Am Ende kumulieren Frust und Enttäuschungen zu einem giftigen Brodeln, das sich schließlich in explosiver Endgültigkeit entlädt.
Wolitzer schreibt über dreiste Männer, die auf so lächerliche Art in den „verschmierten Glanz ihres eigenen Spiegelbildes auf ihren Schuhen“ verliebt sind, dass es weh tut. Männer, die so bedürftig sind, dass sie ihren eigenen Befindlichkeiten alles andere unterordnen, in ihrer vernebelten Selbstbezogenheit jedoch jegliche Verantwortung für die Gefühle ihres Gegenübers von sich weisen. Wolitzer schreibt über Frauen, von denen erwartet wird, mit Trost um sich zu werfen, „wie mit Reis auf einer Hochzeit“ und von Kindern, die sich ein Museum aus Enttäuschungen gebaut haben. Mit scharfsinniger Beobachtungsgabe und einem Gespür für bitterböse Pointen erzählt sie von patriarchalischen Strukturen und weiblicher Ohnmacht.
Bei allem Lob für die erzählerische Finesse Wolitzers habe ich aber auch eine kleine Prise Kritik. Denn bis zum Schluss blieben mir alle Beteiligten dieses Ehedramas, vor allem aber Joan, auf merkwürdige Weise fremd. In einer besonders schönen Passage vergleicht die Protagonistin ihre Vorgängerin und deren Tochter mit Statisten im Theater, die dramatisch winkend von der Bühne abgehen und genau(!) so(!) fühlt sich das Lesen des Buches bisweilen an. Leute kommen und gehen, treten auf und wieder ab, ohne wirklich Spuren zu hinterlassen. Selbst für ihre eigenen Kinder findet Joan oft nur distanzierte Worte. Niemand scheint ihr nahezustehen. Es mag der Verbitterung geschuldet sein, die sich in ihr Herz geschlichen hat, dem getrübten Blick, mit dem sie ihr Leben Revue passieren lässt, dass sie für teils erschütternde Ereignisse nur lakonische Phrasen findet. Mich als Leserin hat sie damit jedoch mehr als einmal irritiert. Leider.
Dennoch ist „Die Ehefrau“ ein überaus lesenswertes Buch und sicher nicht mein letztes von Meg Wolitzer.