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Wir in trüben Farben

Warum die Fortsetzung meines Debüts noch länger auf sich warten lässt

Als ich Ende letzten Jahres die Idee für einen zweiten Teil von „Wir in den schönsten Farben“ hatte, war das Grundgerüst schnell gebaut. Ivy sollte nach dem Kunst-Studium zu den Jungs nach England ziehen und dort ihr Glück als Künstlerin versuchen. Alte Zweifel und neue Herausforderungen würden hier und da den Weg pflastern und vermeintliche Konkurrenten für Turbulenzen sorgen. Auf das Theater sollte ein Einblick ins Filmgeschäft folgen, auf alte Meister die Moderne Kunst.

Das Buch sollte außerdem ganz nebenbei eine Liebeserklärung an die Briten (speziell die Engländer) werden – an ihren Humor, ihre Kultur, ihre Marotten.
Von Anfang an war mir deshalb wichtig, auch das aktuelle politische Geschehen in die Geschichte einfließen zu lassen und der Frage nachzugehen, was der Brexit mit den Menschen macht und wie sich das (Zusammen-)Leben nach einer so schwerwiegenden Entscheidung ändert.

Mit wachsamen Blick beobachtete ich also die Entwicklungen auf der Insel. Ich verfolgte den erbitterten Streit im Parlament (Deal or No Deal?), lauschte den Pro- und Kontra-Stimmen auf der Straße und begrub beim Wahlsieg Johnsons im Dezember ernüchtert alle Hoffnung auf eine Last-Minute-Kehrtwende. Ich recherchierte, wie eine Post-Brexit-Realität aussehen könnte, bis ich (wie wir alle) von einer anderen unwirklichen Realität überholt wurde.

Corona.

Es war nicht nur das anfängliche Unvermögen, in dieser beängstigenden Zeit etwas Brauchbares zu Papier zu bringen. Es war vor allem der Blick auf England, der mir zunehmend schwer fiel, eben weil sich dort alles so erschreckend dystopisch entwickelte.

  • Da sind die vielen Toten und die vage Ahnung, dass so etwas eine Gesellschaft grundlegend verändert.
  • Da ist der harte Brexit, auf den die Briten trotz drohender Rezession unbeirrt zusteuern und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen, die vorher schon schwer abzusehen waren (selbst für Experten).
  • Da ist der Stillstand in der Film- und Theaterbranche und die Sorge, dass sich viele Institutionen und Akteure nicht mehr erholen werden. Und ganz allgemein die Angst vor einem Flächenbrand, der die Kulturszene in Großbritannien zu vernichten droht.

All das will ich mit einbeziehen, wenn ich mir Gedanken über die Zukunft meiner Figuren mache. Schließlich lebt und liebt man anders nach so einer Krise. Prioritäten ändern sich. Der Blick auf die Welt ändert sich.

Natürlich hätte ich es mir leicht machen und die Fortsetzung in einer alternativen Welt ohne Corona oder Brexit spielen lassen können. Doch diese Geschichte wäre nicht meine Geschichte gewesen.

Ich glaube auch, dass die Story von den aktuellen Ereignissen profitieren kann und dadurch am Ende sogar gehaltvoller wird. Es braucht aber Zeit und viel mehr Gedankenschmalz, um all die Konsequenzen für jede einzelne Figur auszuloten und ihre individuellen Werdegänge anzupassen.

Wenn das Leben die Kunst aufs absurdeste imitiert, ist es manchmal sinnvoll, eine Pause einzulegen, bis sich ein Weg abzeichnet, das Ganze künstlerisch zu verarbeiten.

Die Tür ist nicht zu. Sie ist nur angelehnt.
Und in der Zwischenzeit habe ich ein neues kleines Türchen entdeckt und geöffnet.

Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.